Moorkolonie Heise – von damals bis heute

… eine Erzählung von Dieter Lilkendey

Erstmals wird Hollen urkundlich 1105 erwähnt. Es waren vier Feuerstellen – vier Höfe -. Diese vier Höfe sollten auch Steuern für das „Große Moor“ zahlen. Aber das schien den vier Hollener dieses Ödland nicht Wert zu sein. So gaben sie diese 550 ha dem König von Hannover, traten dieses „Große Moor“ also ab. -Was würden die vier Hollener heute wohl denken, wenn sie das blühende Heise sehen würden.

Zu jener Zeit – 1785 – strebten 2. und 3. Söhne, aber auch Knechte, eigenen Grundbesitz an, um sich eine eigene Existenz aufzubauen. Nach dem Findorffschen Muster wurde daraufhin diese Ödlandfläche südlich von Hollen 1788 vom Moorkonduktor Kohlmann vermessen und aufgeteilt von Findorff, dem „Vater aller Moorbauem“. – 24 Hofstellen zu je 50 Morgen und eine halbe Stelle für den Lehrer. Nach Findorff sollten es Familien mit vielen Kindern aus einer Moorregion sein, denn Bauern von der Geest werden hier nicht mit der Moormächtigkeit fertig, es fehlt ihnen an Erfahrung.

So kamen fast alle Ansiedler aus dem benachbarten Teufelsmoor. Man findet die hier gängigen Familiennamen auch auf dem Friedhof von Worpswede wieder. Das Teufelsmoor wurde schon ab 1751 besiedelt. Die Erfahrung mit der Gewinnung von Torf sollte die wesentliche Grundlage für den Lebensunterhalt sein. „Dat Moor is us Brot.“

Das Moor hat den Menschen schon immer fasziniert. Die Menschen im Moor sind „robust und selten krank“, denn das Moor hat eine heilende Wirkung. In den Kurhäusern gibt es Moorbäder, Moorpackungen, Moorkneten usw., aber so etwas hat man hier alles vor Ort. Dazu noch im Frühjahr, wenn die Torfarbeit beginnt, den Duft der Birken, des Brambusches und aller Moorpflanzen.

Ganz früher sprach man sogar vom „Schwarzen Gold“. Das Moor hat schon was für sich.

Erste Siedler kamen gleich nach der Vermessung (1788) und gingen so schnell wieder, wie sie gekommen waren. Der Anfang war einfach zu schwer. Nur der „harte Kern“ hielt durch.

Erste Nothütten wurden errichtet, später Moorkaten, aus Material, was die Siedler vor Ort vorfanden. Das war am alten Kanal („Oole K’nol“), der als erstes erstellt wurde und auch als Entwässerungskanal diente. Das Moor mußte rocken gelegt werden. Später wurde dieser Kanal auch „Kransmoorer Schiffgraben“ genannt und für die Torfschiffe benutzt.

Die erste Besiedlung erfolgte 1794. Kanal- und Dammarbeiten mußten durchgeführt werden. Es gab noch keine festen Wege im Moor, daher mußten als erstes die Wasserstraßen hergerichtet werden. Das Wasser ist ein leicht zu nutzender Verkehrsweg, das wußte man damals schon. Wasserstraßen waren die Lebensadern der Moorbauem. Wie viele Schweißtropfen wird wohl der Aufbau dieses Wasserstraßennetzes gekostet haben?

Es wurden Grenzgräben zwischen den einzelnen Grundstücken ausgehoben. An der einen Seite des Nachbarn Abzugsgräben („Aftoch“) für die Entwässerung, an der anderen Seite Schiffsgraben für den Torftransport (Schee auch Scheidung, so werden größere Grenzgräben genannt. An der Baulinie – Straßendamm, wurde der Heiser Kanal für den Schiffsverkehr angelegt. Bewässert wurde der Heiser Schiffsgraben durch die Gackau (fließendes Gewässer). Es wurde extra ein Zuleitungsgraben („Toleitung“) vom „Gackau- Flüsschen“ her geschaffen. Das war zwischen den Hausnummern 2 und 3, heute Hausnummern 47 und 45.

Überall mußten Überbrückungen und Dücker eingebaut werden. Um das Fließgewässer von der Gackau her abzustauen, wurden jede Menge Stauanlagen („Schott“ oder „Klappenkuhl“), die das Wasser für den Schiffsverkehr aufstauten – „Jan vom Moor“ brauchte nur 0,5 m Wasser unter dem Bug – eingebaut. Dieser Heiser Schiffskanal war bis 1927 noch schiffbar.

1798 erhielt der Ort den Namen vom Amtmann Heise, der den ersten Siedlern mit Rat und Tat zur Seite stand und auch Geld für ihre Hütten und Brücken besorgte. Ein weiterer Verdienst des Amtmanns Heise war eine Viehweide von der Hollener Gemeinheit, 100 Morgen groß.

Auch Oberheise wurde nach dem Findorffschen Muster 1845 bis 1855 angelegt, jedoch 15 Stellen zu je 30 Morgen. Weil dieses Moorgelände höher liegt, nannte man diesen Ortsteil Oberheise. Er gehörte gemeindlich zu Heise.

Aus Anlaß des 200jährigen Bestehens wurde im Herbst 1998 auch groß gefeiert und das Freilichtmuseum „Jan vom Moor und Klappstau“ errichtet.

Was zum Leben benötigt wurde, mußten die Anbauem selbst erzeugen. Roggen, Kartoffeln – Buchweizen – eine Kuh – Schwein und Hühner. Kultiviert wurde das Land von Hand mit dem „Bultenliauer“.

Das bare Geld wurde mit dem Torf verdient. Als Transportgerät diente das Torfboot „Jan vom Moor“, ‘A Hunt Schiff = 10 m lang, 1,95 m breit, Segel 10 bis 12 qm. So ein Torfboot kostete um die 300 Goldmark. Dieses Boot wurde gehegt und gepflegt, damit es über mehrere Generationen gebrauchsfähig war. Man sagte auch: „Jan hält mehr von seinem Torfboot, als von seiner Frau!“

Diese Torfboote waren relativ flach gebaut, brauchten nur 50 cm Wasser unter dem Bug, hatten keinen Kiel wegen der vielen Staue, sondern seitlich nur Schwerter, die nur beim Segeln benutzt wurden, um ein seitliches Abtreiben zu verhindern. Das Torfschiff wurde in Schlussdorf / Teufelsmoor (Torfschiffswerft Grotheer, über 600 Stück ’A Hunt-Schiffe) gebaut.

In der Schee war ein Unterstand („Schippschuer“) für das Torfboot. Im Winter nach der Saison wurde es mit Hilfe der Nachbarn hoch geholt, neu abgedichtet und mit Teer neu angestrichen.

Im Frühjahr, wenn der Frost aus dem Boden war, ging es noch vor Tagesanbruch mit der ganzen Familie („mit Kind und Kegel“) ins Moor.
Buschzeug, Heide und Behntgras wurden weggeräumt und die oberste noch stark durchwurzelte Streutorfschicht abgetragen. Dieses kam in die Vorjahrestorfkuhle.

Tagessatz war 1 Hunt (810 Stuken zu 8 Torf gesetzt = 6.480 Soden). Für Mann und Frau eine harte Knochenarbeit. „Den Ersten sin Dod, den Tweten sin Not, den Dritten sin Brot“, dieser Spruch sagt alles über den schweren Anfang.

Nach 4 bis 5 Wochen, je nach Witterung, wurden die Stuken umgesetzt. Nach weiteren 4 Wochen wurden die angetrockneten Torfsoden „geringelt“ und danach je nach Trockenheit der Soden in große „Klicks“ (5 bis 6 m lang, 2 m breit, oben ein Heidefirst als Schutz vor dem Regen) gesetzt.

Im Herbst begann dann der Abtransport (Verkauf). Das bereit liegende Torfschiff in der Schee wurde mit der Schiebkarre oder auch mit Körben beladen. „Schwarze Flotte“ nannte man auch die vielen Torfboote. Die Tragfähigkeit des Jan vom Moor belief sich auf 2 t. 1 Hunt =100 Körbe, ’A Himt = 50 Körbe = 3.240 Soden, 1 Korb faßte ca. 65 Soden. Um 1880 bekam man 30,00 Mark für eine Schiffsladung. Einige Moorbauem haben 15 bis 20 Ladungen im Monat verschifft. Frage: „Haben die Menschen überhaupt geschlafen?“

Wieviel Arbeit steckt im Torf? Graben — abschieben — in Stuken zu 8 Torf setzen – mehrmals umstuken – in Ringeln setzen und zuletzt in großen Klicks aufsetzen. Im Herbst mit Schiebkarre oder Körben zum Verladeplatz beim Boot Jan vom Moor transportieren und das Verschiffen zu den Endabnehmern. – Wenn man allein diese Stunden zusammenzählt, dann hatten die Moorbauem nur viel Arbeit mit gekrümmten Buckel, aber wenig Stundenlohn.

Torf – Die oberste Schicht = Weißtorf / Streutorf für den Viehstall. Der braune Torf ( Ziegelei- oder Backofentorf), auf dem Torfboot 5 bis 6 Schichten hochgepackt, war nicht so schwer. Schwarzer Torf für die kalten Wintertage, Verkauf an die Marschbauem in Blexen, Nordenham und Bremerhaven. Die unterste Schicht war Backtorf (Elitetorf), brannte im Ofen wie Steinkohle, war auch teurer. Der schwarze Torf und der Backtorf waren sehr schwer. Daher konnte das Boot nicht so hoch beladen werden.

Der Ziegeleitorf wurde an die Ziegeleien zwischen Stotel und Wulsdorf geliefert. 22 Ziegeleien gab es zu jener Zeit. 1 Brand Ziegelsteine = 75.000 Ziegelsteine = 12 bis 14 Schiffsladungen. Das konnte ein Moorbauer kaum schaffen. So taten sich mehrere Anbauem zusammen oder es wurde auch nur x /i Brand mit Torf beliefert.

Der schwarze Torf und der Backtorf wurden als Heizmaterial verkauft. In Bremerhaven wurde 1868 östlich der Geestebrücke extra ein Torfplatz mit einer Kaimauer für das Anlegen der Torfboote eingerichtet. Die Boote lagen wie die Heringe am Haken an der Kaimauer. Der Verkauf ging nach ganzen Schiffsladungen, aber auch körbeweise.

Um einen besseren Gewinn zu erzielen, hatten die Körbe einen doppelten Boden. Aber der Endverbraucher kam den Moorbauem (schlitzohrige Bauern) bald „auf die Schliche“. So wurden beeidigte Torfmesser für die Überwachung eingesetzt, aber die Anbauer waren gekonnte Torfwerter, sie machten das so geschickt, daß möglichst viele Hohlräume entstanden.

16 Stunden dauerte eine Torffahrt nach Bremerhaven. Im Rekordjahr 1876 lieferten Heise 9.800 cbm und Oberheise 5.100 cbm Torf auf dem Wasserweg. Das waren 150 LKW zu je 10 cbm. Für jede Kahnfahrt wurde eine Gebühr von 0,30 Mark für die Unterhaltung der Stau- und Schüttanlagen gehoben. Der Erlös des Torfverkaufs mußte für das ganze Jahr reichen.

Auf dem Rückweg brachten die Torfboote billige zollfreie Ware, Kaffee, Petroleum, Salz, Zucker, Mehl, usw., Schmuggelware, aber auch Kleieboden für den Garten und Heu als Winterfutter für die Kuh und Ziege, mit. Pause machten die Moorbauem beim „singenden Wirt“ zum Zollen in Stotel. Auf dem Hinweg bestellten sie einen Korn und tranken ihn halb aus. Die restliche Hälfte wurde auf dem Rückweg getrunken. So „arm“ waren die Moorbauem.

Um 1890 gab es in Heise 32, in Oberheise 18, in Hollen 50, in Wittstedt 3 und in Kransmoor 25 „Jan-vom-Moor-Boote“.

Der „Heiser Schiffsgraben“-Kanal war 2,3 km lang und verlief schnurgerade am Straßendamm entlang (18 Klappstaue). Der „Oberheiser Kanal“ war 2,5 km lang. An der Seite des Schiffsgrabens war ein 2 m breiter Leinenpfad, der zum „treideln“ oder schieben des Bootes vom Land aus benutzt wurde. 2 Personen wurden hierzu benötigt.

Beim Torftransport mußten viele Staue überwunden werden. Bis hin zur Lune waren es 38, eine „Mordsarbeit“ für die Bauern. Einer zog die Staubretter hoch, der zweite Mann schob das Boot darüber. Die Staubretter mußten sofort wieder für die nächsten Schiffe eingesetzt werden. Vom Freilichtmuseum bis zum Kransmoorer Schiffgraben kamen auf 300 m Schiffgrabenlänge 8 Staue. Die Moorbauem versammelten sich meistens in Gruppen. Zu jener Zeit waren 2 Mann Besatzung Pflicht.

Eine Erleichterung gab es ab 1850, als der Moorkommissar Witte das „Klappstau“ erfand. Dieses stellte einen enormen Fortschritt dar. Statt der stabilen Staubretter wurden 12 Latten durch Lederstreifen (Klappstauleder) verbunden und damit flexibel und beweglich gemacht. Die Latten wurden halbmondförmig angeordnet. So einen Klappstau kann man hier vor Ort besichtigen.

Jetzt konnte eine Person das Boot bedienen. Auf der Hinfahrt mit dem laufenden Wasser ging das auch noch gut, aber die Rückfahrt gegen den Strom mußte getreidelt oder geschoben werden. Auf den offenen Gewässern, wie Lune und Weser, durfte gesegelt werden.

Es gibt fünf verschiedene Arten, das Torfboot zu bewegen: getreidelt – Leinenpfad / mit dem Stakrohr geschoben / vom Grund abstoßen / mit dem Stakrohr gewriggt / und auf freier Wasserfläche gesegelt.

Über 150 Jahre gab es lebhaften Verkehr auf der Lime. 1926 wurde das letzte Torfschiff auf der Lune gesichtet. 1930 stellten auch die Heiser Bauern ihre Schiffahrt ein, denn die Kohle war auf dem Vormarsch. Nach dem 2. Weltkrieg kam noch einmal eine „Scheinblüte“ auf: Die Bezugsscheine für die Kohle reichten nicht aus. Es gab viele Flüchtlinge imd daher auch zusätzliche Herdstellen. Das Geld war knapp. Es wurde Torf gegen Reith für die Dachreparatur oder Weideland in der Marsch für das Jungvieh eingetauscht.

Nach ein paar Jahren brauchte man den Torf nicht mehr. Und so vermoderten die treuen Gefährten der Moorbauem in stillen Wassergräben oder dienten als Schutz für das Federvieh.

Nach Findorffschen Muster wurden Moorkolonien in Gebieten, die in staatlicher Hand lagen, gegründet. Hier einige Orte, die wir alle kennen:

  • 1785 Heise, jetzt Gemeinde Hollen
  • 1794 Hahnenknoop, jetzt Gemeinde Loxstedt
  • 1801 Neuenlandermoor, jetzt Gemeinde Loxstedt
  • 1824 Langendamsmoor, jetzt Gemeinde Loxstedt
  • 1829 Hymendorf
  • 1831 Kransmoor, jetzt Gemeinde Bokel
  • 1845 Oberheise, jetzt Gemeinde Hollen
  • 1853 Drostendamm, jetzt Gemeinde Loxstedt.

Als nächstes Ziel der Gemeinde Hollen und des Fördervereins ist geplant, neben dem Freilichtmuseum eine Moorkate zu errichten. Der Schiffsgraben und der Leinenpfad sollen wieder hergestellt und als Lehrpfad hergerichtet werden.

  • Ausrüstung „Jan vom Moor“
  • Steuer / Helmholz / Ruderspinne
  • zwei Schwerter zur Stabilisierung des Schiffes beim Segeln
  • langes Stakrohr (4,50 m) zum „Staken“
  • kurzes Stakrohr (3,50 m) zum „Wriggen“
  • Segelmast (4,00 m)
  • Segel (10 bis 12 qm)
  • Kajütenofen
  • Strohsack für die Schlafkajüte

Im Winter verdienten die Anbauem mit der Herstellung von Besen, Heidebürsten und Holzschuhen ein wenig (bares) Geld. Aus Schafwolle strickten die Frauen warme Wintersachen.

Hierbei handelt es sich um ein Manuskript, dass wir gescannt und dessen Inhalt über die Nutzung einer OCR-Software erfasst wurde. Dabei eintstandene und von uns übersehene Typos mögen Sie bitte entschuldigen. Sie gehen keinesfalls auf den Autor des Dokumentes, sondern auf die Unvollkommenheiten der eingesetzten Software sowie der Redaktion zurück.

Dieter Lilkendey
Die Moorkolonie Heise – Von damals Bis Heute – eine Erzählung
(ca. 199X)

Mit freundlicher Genehmigung der Familie Lilkendey